Red Planet – Roter Planet

Jim und seine Familie gehören zu den ersten Siedlern der Marskolonie. Von den Marsianern misstrauische beäugt, haben sich die Menschen der lebensfeindlichen Umwelt angepasst und sich eingerichtet. Die Kinder besuchen das Internat, das sich im sicheren Norden befindet – tausende Kilometer von den Familien entfernt. Der neue Schuldirektor diszipliniert die Kinder mit militärischen Drill und macht ihnen auch sonst das Leben schwer. Als Jim dann zufällig erfährt, dass die Kolonie dem Eistod überlassen werden soll, machen sich er und sein bester Freund Frank auf den Weg. Sie wollen die Kolonie warnen. Doch der Weg ist extrem gefährlich…

Robert Heinlein, der Grand Master der Science Fiction, schuf mit Red Planet einen temporeichen Klassiker der Jugend-Science-Fiction-Literatur. Ein Abenteuerroman, der Sci-Fi-Fans bis heute fasziniert.

Robert A. Heinlein: Red Planet - Roter Planet (Red Planet)

Taschenbuch 200 Seiten

13,95 € inkl. 7% MwSt.

ISBN: 9783945493731

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[Leseprobe link=””]Kolonie Süd war wie ein Rad angelegt. Das Verwaltungsgebäude bildete den Mittelpunkt; Tunnel verliefen in alle Richtungen, und darüber waren Gebäude errichtet worden. Inzwischen war ein Randtunnel begonnen worden, der sich an einige der Speichen des Rades anschloss; bisher war ein Bogen von fünfundvierzig Grad fertiggestellt worden.

Abgesehen von drei Mondhütten, die bei der Gründung der Kolonie errichtet wurden und seitdem leer standen, besaßen alle Gebäude die gleiche Form. Jedes war eine halbkugelförmige Blase aus Silikonplastik, das aus dem Boden des Mars verarbeitet und an Ort und Stelle aufgeblasen wurde. Tatsächlich bestanden alle aus einer Doppelblase: Zuerst wurde eine Blase aufgeblasen, mit einem Durchmesser von etwa neun bis zwölf Metern. Sobald diese ausgehärtet war, betrat man das neue Gebäude durch einen Tunnel und blies eine innere Blase auf, etwas kleiner als die erste. Die äußere Blase „polymerisierte“ – das heißt, durch die Sonneneinstrahlung trocknete sie und härtete aus, während durch eine Batterie aus Ultraviolett- und Wärmelampen die innere Blase gehärtet wurde. Die Wände wurden durch einen ungefähr dreißig Zentimeter breiten Totraum getrennt, wodurch eine Dämmung gegen die bitterkalten Marsnächte entstand, die unter dem Gefrierpunkt lagen.

Sobald ein neues Gebäude ausgehärtet war, schnitt man aus der Außenseite eine Tür heraus und installierte eine Luftschleuse; aus Bequemlichkeit behielten die Kolonisten im Inneren ungefähr zwei Drittel des Normaldrucks auf der Erde bei, und der Druck auf dem Mars ist niemals auch nur halb so groß. Ein Besucher von der Erde, der nicht an die Planetenbedingungen gewöhnt ist, stirbt ohne Atemgerät. Unter den Kolonisten wagen sich nur Tibetaner und bolivische Indios ohne Atemgeräte nach draußen, und sogar sie tragen dabei die bequemen, elastischen Marsanzüge, um Hautblutungen zu verhindern.

Die Gebäude besaßen nicht einmal Fenster, gleich einem modernen Gebäude in New York. Zwar ist die sie umgebende Wüste schön, aber monoton. Kolonie Süd lag in einem Gebiet, das den Menschen von den Marsianern überlassen wurde, nur wenig nördlich der uralten Stadt Charax – es lohnt nicht, den marsianischen Namen zu nennen, da Erdlinge ihn nicht aussprechen können – und zwischen den Armen des Doppelkanals Strymon. Erneut folgen wir den kolonialen Bräuchen und verwenden den Namen, den der unsterbliche Dr. Percival Lowell dem Kanal gegeben hat.

Francis begleitete Jim und Doktor MacRae bis zur Tunnelkreuzung unter dem Rathaus und ging dann seinen Tunnel hinunter. Ein paar Minuten später gelangten der Doktor und Jim – und Willis – hinauf ins Haus der Marlowes. Jims Mutter begrüßte sie. Doktor MacRae verneigte sich, eine Verbeugung, dessen Vornehmheit durch nackte Füße und ergrautes Brusthaar nicht gemindert wurde: „Madame, wieder nutze ich Ihre Gutmütigkeit aus.“

„Papperlapapp, Doktor. Sie sind uns immer bei Tisch willkommen.“
„Wenn ich doch nur die Chuzpe hätte, zu wünschen, Sie wären keine so herausragende Köchin, sodass Sie die eigentliche Wahrheit erfahren würden: Meine Liebe, Sie sind es, die mich hierher führt.“

Jims Mutter errötete. Sie trug ein Kostüm, das eine Dame auf der Erde vielleicht fürs Sonnenbaden oder für Gartenarbeit ausgesucht hätte, und sie bot einen sehr hübschen Anblick, obwohl Jim sich dessen bestimmt nicht bewusst war. Sie wechselte das Thema: „Jim, häng deine Pistole auf. Lass sie nicht auf dem Sofa liegen, wo Oliver rankommt.“

Als Jims kleiner Bruder seinen Namen hörte, stürzte er sich sofort auf die Pistole. Sowohl Jim als auch seine Schwester Phyllis sahen es und riefen beide: „Olli!“ – und wurden direkt von Willis imitiert, für den dieser schwierige Trick, beide Stimmen gleichzeitig nachzumachen, nur möglich war durch die atonale Membran.

Phyllis war näher dran; sie packte die Pistole und schlug dem Kind auf die Hand. Oliver fing an zu heulen, was durch Willis noch verstärkt wurde. „Kinder!“, sagte Mrs. Marlowe, als Mr. Marlowe in der Tür erschien.

„Was soll der Aufruhr?“, fragte er milde.

Doktor MacRae hob Oliver hoch, drehte ihn herum und setzte ihn auf seine Schultern. Oliver vergaß, dass er geheult hatte. Mrs. Marlowe fügte hinzu: „Nichts, Liebling. Ich bin froh, dass du zu Hause bist. Kinder, waschen fürs Abendessen, und zwar alle.“

Die zweite Generation marschierte geschlossen hinaus. Phyllis sagte: „Nimm die Ladungen aus deiner Pistole, Jimmy, und lass mich üben.“

„Du bist zu jung für eine Waffe.“

„Pah! Ich schieße auch nicht besser als du.“ Das war ziemlich nahe an der Wahrheit und nicht übertrieben: Phyllis war zwei Jahre jünger als Jim und dazu noch ein Mädchen.

„Mädchen schießen nur auf unbewegliche Ziele. Würdest du einen Wassersucher sehen, würdest zu schreien.“

„Ach ja? Wir gehen zusammen auf die Jagd, und ich wette mit dir um zwei Kredite, dass ich zuerst treffe.“

„Du hast keine zwei Kredite.“

„Habe ich wohl.“

„Wie kommt es dann, dass du mir gestern keinen halben Kredit leihen konntest?“

Phyllis wechselte das Thema. Jim hängte seine Waffe in den Schrank und schloss ihn ab. Kurz darauf waren sie wieder im Wohnzimmer und sahen, dass ihr Vater daheim und das Abendessen fertig war.

Phyllis wartete, bis die Erwachsenengespräche ein wenig abgeflaut waren, und fragte: „Daddy?“

„Ja, Schätzchen? Was ist?“

„Wird es nicht langsam Zeit, dass ich meine eigene Pistole kriege?“

„Hm? Dafür ist später immer noch genug Zeit. Bleib du bei deinen Zielübungen.“

„Aber hör doch mal, Daddy: Jim geht weg, und das bedeutet, dass Olli nicht rausgehen kann, wenn du oder Mutter keine Zeit hat, ihn mitzunehmen. Wenn ich eine Waffe hätte, könnte ich aushelfen.“

Mr. Marlowe runzelte die Stirn. „Da sagst du was. Du hast all deine Prüfungen bestanden, oder?“

„Das weißt du doch!“

„Was meinst du, meine Liebe? Sollen wir Phyllis mit ins Rathaus nehmen und sehen, ob man ihr eine Erlaubnis erteilt?“

Bevor Mrs. Marlowe antworten konnte, murmelte Doktor MacRae irgendetwas in seinen Teller hinein. Die Bemerkung war kraftvoll und vermutlich unhöflich.

„Wie? Was haben Sie gesagt, Doktor?“

„Ich sagte“, antwortete MacRae, „dass ich auf einen anderen Planeten umziehen werde. Zumindest habe ich es so gemeint.“

„Wieso? Was stimmt denn mit diesem nicht? In weiteren zwanzig Jahren werden wir ihn wieder hergestellt haben, so gut wie neu. Man wird ohne Maske draußen spazieren gehen können.“

„Sir, es sind nicht die natürlichen Einschränkungen dieser Kugel, die mich stören; es sind die memmenhaften Volltrottel, die sie regieren … Diese lächerlichen Vorschriften machen mich wütend. Dass ein freier Bürger mit dem Hut in der Hand vor ein Komitee treten und um Erlaubnis betteln muss, eine Waffe zu tragen – unvorstellbar! Bewaffnen Sie Ihre Tochter, Sir, und schenken Sie diesen kleingeistigen Bürokraten keine Beachtung.“

Jims Vater rührte in seinem Kaffee herum. „Daran hatte ich schon gedacht. Ich weiß wirklich nicht, warum die Company diese Regeln überhaupt erlassen hat.“

„Reines Nachäffen. In den wimmelnden Bienenstöcken auf der Erde gibt es ähnlich kindische Vorschriften. Die fetten Beamten, die so etwas entscheiden, können sich keine anderen Bedingungen vorstellen. Unsere Gemeinschaft liegt am Grenzland, da sollten wir von so etwas verschont bleiben.“

„Hm … Sie haben wahrscheinlich recht, Doktor. Ich kann nicht sagen, dass ich Ihnen widerspreche, aber ich bin derart damit beschäftigt, mit meiner eigenen Arbeit voranzukommen, dass ich keine Zeit habe, mir Gedanken über Politik zu machen. Es ist einfacher, einem Testfall zuzustimmen, als dagegen anzugehen.“ Jims Vater wandte sich an seine Frau. „Wenn es geht, meine Liebe, könntest du die Zeit finden, für Phyllis eine Erlaubnis einzuholen?“

„Ja, natürlich“, antwortete sie unsicher, „wenn du wirklich denkst, dass sie alt genug ist.“ Der Doktor murmelte etwas, das „Schutzgeld“ und „Boston Tea Party“ in einem Atemzug nannte.

„Natürlich bin ich alt genug, Mutter. Ich bin ein besserer Schütze als Jimmy.“

Jim sagte: „Du bist durchgeknallt!“

„Achte auf deine Manieren, Jim“, ermahnte ihn sein Vater.

„So sprechen wir nicht mit einer Dame.“

„Hat sie wie eine Dame gesprochen? Das frag’ ich dich, Dad.“

„Du solltest annehmen, dass sie eine ist. Lassen wir das. Was haben Sie gesagt, Doktor?“

„Wie? Sicher nichts, was ich hätte sagen sollen. Sie haben vorher etwas von weiteren zwanzig Jahren gesagt und dass wir unsere Atemgeräte wegwerfen könnten. Sagen Sie: Gibt es Neuigkeiten über das Projekt?“

Die Kolonisten arbeiteten an Dutzenden von Projekten, die allesamt darauf abzielten, den Mars für menschliche Wesen bewohnbarer zu machen, aber mit dem Projekt war immer das Atmosphären- oder auch Sauerstoffprojekt gemeint. Die Pioniere der Harvard-Carnegie-Expedition hatten berichtet, der Mars sei geeignet für eine Kolonisierung, sah man einmal von der wichtigsten Tatsache ab, dass die Luft so dünn war, dass ein normaler Mensch ersticken würde. Allerdings berichteten die Expeditionsteilnehmer auch, dass Abermillionen Tonnen Sauerstoff im Wüstensand des Mars eingeschlossen wären – das rote Eisenoxid, das dem Mars seine rostrote Farbe verlieh. Das Projekt sah vor, den Sauerstoff freizusetzen, damit die Menschen ihn atmen konnten.[/Leseprobe]