Spielbücher

Über Spielbücher

Was sind Spielbücher?

Spielbücher sind eine Variation der Rollenspiele, die in den 1970er Jahren entstanden. Nachdem die Rollenspiele immer größeren Erfolg hatten und sich einer stetig wachsenden Fangemeinde erfreuten, suchten Spieleautoren nach immer neuen Konzepten und Ideen. Aus dem Gedanken heraus, Rollenspiele auch alleine ohne weitere Mitspieler erleben zu können, entstanden die so genannten Solitär-Abenteuer (Solo-Abenteuer), die später gemeinhin als Spielbücher bekannt waren.

Der Sinn der Spielbücher war wie schon gesagt, ein Rollenspielabenteuer auch alleine erleben zu können, da normalerweise immer eine Reihe von Mitspielern und ein Spielleiter notwendig war. Die Spieleentwickler suchten daher nach Lösungen und Möglichkeiten, um auch Einzelpersonen ein Rollenspielerlebnis zu ermöglichen. Da am Anfang der 1980er Jahre Computerspiele noch nicht bzw. nur minimal verbreitet waren, musste man zu dieser Zeit auf „konventionelle“ Mittel zurückgreifen, um spielen zu können. Ein Spiel konnte daher nur als Brettspiel oder in Buchform wie die Rollenspiele konzipiert sein.

Die Rollenspielautoren fanden jedoch relativ schnell eine mögliche Lösung des Problems. Bekannte Rollenspiele wie Dungeons & Dragons und Tunnels & Trolls hatten schon Ende der 1970er Jahre bzw. Anfang der 1980er Jahre Einzelspielermodule für ihre Spielsysteme entwickelt. D&D brachte die Abenteuermodule „Blizzard Pass“ und „Im Rätsellabyrinth des Minotaurus“ heraus, und auch bei Schwerter und Dämonen (dt. Version von Tunnels & Trolls) erschienen Module wie „In der Taverne zum blauen Frosch“, „Büffelburg“, „Labyrinth“ und „Meer der Rätsel“.

Das Spielprinzip war einfach – der Text des Abenteuers war in einzelne nummerierte Textabschnitte gegliedert. Am Ende eines jeden Abschnitts konnte der Leser (bzw. der Held des Abenteuers) zwischen verschiedenen vorgegebenen Möglichkeiten wählen, die ihn schließlich zum nächsten Spielabschnitt führten. Richtige oder falsche Entscheidungen führten zu Sieg oder Niederlage, zu Leben oder Tod. Diese Solitärabenteuer waren zwar lange nicht so komplex und abwechslungsreich wie die herkömmlichen Rollenspielabenteuer, doch hatten sie ihren eigenen Reiz und boten jederzeit die Möglichkeit, jederzeit – auch alleine Rollenspiele zu spielen. Viele Autoren griffen diese Idee in der Folgezeit auf und entwickelten eigene Solitärabenteuer.

Die Zeit der Spielbücher

Im Laufe der 1980er Jahre entstand eine Vielzahl der immer beliebter werdenden Spielbücher. Bei herkömmlichen Rollenspielsystemen setzte sich die Idee des Solitärabenteuers nur zögerlich durch, und außer den Soloabenteuern des deutschen Rollenspielsystems „Das Schwarze Auge“, gab es nur wenige andere Soloabenteuer. Auf der anderen Seite gab es jedoch immer mehr Autoren, die unabhängig von gängigen Systemen eigene Spielbücher mit eigenen Regeln und eigenen neuen Spielwelten verfassten. Im englischen Sprachraum entwickelten sich unzählige verschiedene Spielbuchserien, die mehr oder weniger erfolgreich waren, von denen aber leider nur die allerwenigsten auch in andere Sprachen übersetzt wurden.

Zu den ersten und wohl erfolgreichsten Spielbuchserien zählten die „Fighting Fantasy“-Bücher von Ian Livingstone und Steve Jackson. Ihrem ersten Spielbuch, „Der Hexenmeister vom Flammenden Berg“, das ein unglaublicher Erfolg wurde, folgte eine schier unendliche Anzahl von Abenteuerspielbüchern, die in Deutschland größtenteils bis in die 1990er Jahre hinein produziert wurden. In deutscher Sprache wurden leider von den über 50 Büchern nur 18 Stück im Thienemann-Verlag herausgegeben. Der Goldmann-Verlag gab die Bücher einige Jahre nach Thienemann noch einmal als etwas dünnere Taschenbuchausgabe heraus, doch hierbei wurden sogar nur noch 16 Stück aufgelegt.

Der erfolgreichen Fighting-Fantasy-Serie (im Deutschen „FantasyAbenteuerSpielbuch“) folgten eine ganze Reihe von einzelnen Spielbüchern oder auch ganzen Serien, die im Laufe der 1980er Jahre publiziert wurden. Einige Beispiele hierfür sind:

  • Abenteuer ohne Ende
  • Merlins Zeitmaschine
  • Das große…-Spielbuch
  • Sherlock Holmes Spielbücher
  • FantasyAbenteuerSpielbücher
  • Einsamer Wolf
  • Silberstern der Magier
  • Mittelerde Quest Bücher
  • Fantasia Spielbücher
  • 1000 Gefahren Spielbücher
  • Puzzle Dein Abenteuer
  • Die Saga von Bruder John

Der deutsche Spielbuchmarkt war leider nie so groß wie der englische, so dass sich die Spielbücher nie entsprechend durchsetzten. Neben den wenigen englischen Serien, die ins Deutsche übersetzt wurden, gab es nur sehr wenige deutsche Spielbücher (z.B. Das große…-Spielbuch). Die große Masse der Spielbücher existierte durchweg nur in der englischen Originalversion, und obwohl sich diese Bücher wegen ihrer Vielfältigkeit und Atmosphäre durchaus lohnen, haben sie sich bei den deutschen Spielern nie wirklich durchgesetzt. Es blieb daher bei einigen wenigen deutschsprachigen Spielbüchern, die im Laufe der 1980er Jahre publiziert wurden und mit Anfang der 1990er Jahre immer mehr der technischen Entwicklung von PC- und Konsolen-Rollenspielen weichen mussten, bis sie schließlich fast in Vergessenheit geraten waren.

Die erfolgreichsten Serien

Obwohl die Ära der Spielbücher zeitlich sehr eingeschränkt war, gab es doch in dieser kurzen Zeit gleich mehrere erfolgreiche Serien, die auch bis heute noch ihre Fans haben.

Die mit Abstand bekannteste und beliebteste Reihe war und ist die nun schon mehrfach erwähnte „Fighting Fantasy“-Serie, die selbst in der heutigen Zeit noch einmal in englischer Sprache neu aufgelegt wurde. Im englischsprachigen Raum scheinen diese Spiele also auch heute noch recht beliebt zu sein. Die Serie war die erste, die in deutscher Sprache erschien, und kam schon zu Beginn der 1980er heraus. Ihr Erfolg war atemberaubend und das Spielkonzept so neu, dass sogar in Tageszeitungen darüber berichtet wurde. Das erste Buch der Serie, „Der Hexenmeister vom Flammenden Berg“, war so begehrt, dass die erste Auflage schon nach kurzer Zeit vergriffen war! Auch die weiteren Bücher der Serie, die allesamt in einer schönen Qualität vom Thieneman-Verlag herausgebracht wurden, erfreuten sich großer Beliebtheit.

Bände wie „Die Zitadelle des Zauberers“ und „Der Forst der Finsternis“ knüpften nahtlos an den Erfolg des ersten Buches an. Die einzelnen Spielbücher spielten zwar meistens (nicht immer) auf der eigens für diese Spielbücher erdachten Spielwelt „Titan“, ließen sich jedoch unabhängig voneinander spielen und verfolgten auch keine zusammenhängende Geschichte, wie dies bei manch anderen Spielbüchern der Fall war.

Der Vorteil war hierbei, dass die Autoren sich die Freiheit erhielten, verschiedenste Ideen zu verwirklichen. So spielten z. B. manche Spielbücher der Serie in der Zukunft (z. B. „Das Universum der Unendlichkeit“ und „Der Stern der Schmuggler“) oder entdeckten manch ungenutztes Genre (z. B. Piraten in „Das Duell der Piraten“) für sich. Ein weiteres sehr erfolgreiches Beispiel der Ideenvielfalt dieser Serie war die von Steve Jackson geschriebene vierteilige Analand-Serie (engl.: „Sorcery!“), bei der der Spieler sogar die Wahl hatte, einen Krieger oder einen Zauberer (!) zu spielen, der im Spiel eine Vielzahl von magischen aubersprüchen anwenden konnte.

Diese vier Bücher der Analand-Reihe waren die einzigen, die eine zusammenhängende Geschichte darstellten. Der Reiz war sofort sichtbar, denn der Plot ergab eine große Saga mit umfassender Hintergrundgeschichte, und der Spielercharakter „wuchs“ von Band zu Band, da er an Stärke und Erfahrung gewann. Gefundene Schätze und magische Gegenstände machten ihn nach jedem absolvierten Band zu einem besseren, stärkeren und gefährlicheren Helden.

Joe Dever
Joe Dever

Dieser Reiz einer zusammenhängenden Saga und eines an Erfahrung gewinnenden Helden übernahm auch der Spielbuchautor Joe Dever, der Mitte der 1980er Jahre eine Spielbuchreihe entwickelte, die sich vor allem in Deutschland zur wohl beliebtesten Serie entwickelte. Es war die Saga „Einsamer Wolf“, die im Goldmann-Verlag erschien. Diese 12-bändige Serie (im englischen Original wurden 28 Bände veröffentlicht, die leider nie ins Deutsche übersetzt wurden) behandelte den epischen Konflikt zwischen Gut und Böse auf der Fantasy-Welt „Magnamund“, bei der „Einsamer Wolf“ (der Spieler), der letzte der berühmten Kai-Mönche, versucht, seine Mönchsbrüder zu rächen und die Welt Magnamund vor den dämonischen Kräften der Dunkelheit von Helgedad zu bewahren.

dever_einsamer-wolf-01Die fantastisch erzählte Geschichte, die Möglichkeit, den Charakter auf verschiedene Weisen zu spielen (Wahl von Fertigkeiten), sowie ein spannendes Kampfsystem machten „Einsamer Wolf“ zu einem großen Erfolg. Eine Fortsetzung fand die Saga in einer weiteren Serie, in der diesmal „Silberstern der Magier“ der Held war. Auch er setzte sich gegen den dämonischen Hexenkönig durch und versuchte die Welt vor dem Bösen zu bewahren. Bei dieser Serie spielte der Leser einen magisch begabten Helden, was einen besonderen Reiz ausmachte. Die Serie umfasste jedoch nur vier Bände und erlangte nicht mehr die Popularität von Einsamer Wolf.

Neben diesen beiden Serien gab es natürlich noch viele Reihen, die mehr oder weniger bekannt und beliebt waren, doch die meisten wurden wie gesagt nie ins Deutsche übersetzt, und so waren es vor allem diese beiden Serien, die den Schwerpunkt des deutschen Spielbuchgenres ausmachten und auch heute noch bei Fans und Sammlern äußerst gefragt sind. Voller Begeisterung hat die Fangemeinde in der ganzen Welt die Neuigkeiten aufgenommen, dass die Serie in England neu aufgelegt wird. Seit 2008 veröffentlicht Mongoose Publishing nun die komplett neu aufbereitete Serie in Englisch. Nachdem der Ruf der deutschen Fans nach einer deutschsprachigen Auflage nicht mehr zu überhören war, hat sich nunmehr der Mantikore-Verlag dazu entschlossen, sich dieser Aufgabe zu widmen.